09.07.2014

Adrian McKinty – Die Sirenen von Belfast

(«I Hear the Sirens in the Street»,
Serpent’s Tail, London, 2013)

Aus dem Englischen von Peter Thorberg

2014, Suhrkamp Verlag, Berlin, 387 Seiten

****1/2


Der erste Satz
Die verlassene Fabrik wirkte wie die Vorschau auf eine ungewisse Zukunft, in der die ganze Welt so aussehen würde, eine Zeit, in der es keine Möglichkeit mehr gab, gegen Verrottung anzukämpfen.

Das Buch
Nordirland in den 1980er-Jahren bildet den dramatischen Hintergrund von Adrian McKintys Romantrilogie um den «katholischen Bullen» Sean Duffy. Nach dem Hungerstreiktod von inhaftierten IRA-Kämpfern, darunter der prominente Bobby Sands, gehen die Emotionen hoch. Die Spaltung des Landes, auf der einen Seite separatistischen Katholiken, auf der anderen Seiten die royalistischen Protestanten, wirkt sich bis in das alltäglichen Zusammenleben aus. Duffy steht als Katholik in der grossmehrheitlich protestantisch geprägten Polizei in einem ganz besonderen Spannungsfeld: Protestanten misstrauen ihm, Katholiken sehen ihn als Verräter.
Sean Duffy will sich nicht in politische Machenschaften verstricken, sondern Verbrechen aufklären. Er widersetzt sich dem schnellen Schluss, Tötungsdelikte als politische Verbrechen, die kaum aufzuklären sind, abzuhaken. Gegen alle Widerstände zieht er seine klare Linie durch.
McKinty versteht es meisterhaft, die verfahrene politische Situation und den wirtschaftlichen Niedergang Nordirlands mit dem eigentlichen Krimi-Plot zu verflechten. Auch die Verwicklung des amerikanischen Unternehmers John DeLorean, der in Nordirland eine Autofabrik aufgebaut hatte, in den Drogenhandel wird raffiniert in die Geschichte eingebaut. Ohne dass der Roman an Intensität und Spannung verliert, wird er damit gleichzeitig zu einem eindrücklichen Zeitbild, das uns mehr über den Nordirland-Konflikt erzählt als viele politische Aufsätze darüber. Bisher der beste McKinty auf Deutsch. Und die Vorgänger waren auch schon sehr stark.

Der Autor
Adrian McKinty, *1968 in Belfast, zog nach einem Philosophie-Studium an der Oxford University nach New York, wo er unter anderem als Wachmann, Vertreter, Rugbytrainer, Buchhändler, Postbote und Journalist arbeitete. 2000 zog der nach Denver. 2003 debütierte er mit dem ersten Band der starken «Dead»-Trilogie (****; «Der sichere Tod», Suhrkamp, 2010; Original: «Dead I Well May Be», 2003) um den jungen Iren Michael Forsythe, der in die irische Gangsterszene in den USA eintaucht. 2013 erschien der erste Band der Sean-Duffy-Trilogie auf Deutsch («Der katholische Bulle», ****, Suhrkamp, 2013; Original: «The Cold Cold Ground», 2012). Insgesamt sind bisher 6 seiner bislang 15 Romane auf Deutsch erschienen. McKinty zog 2008 nach Melbourne; heute lebt er mit seiner Familie im australischen St Kilda.
Adrian McKintys Blog 

Der letzte Satz

Eine kleine Menschenmenge vor der Fabrik in Dunmurry fordert: «Wir wollen Jobs! Wir wollen Jobs!», immer und immer wieder, für die Kameras; doch am Ende werden auch sie verscheucht von dem bitterkalten Regen einer breiten Sturmfront, die auf ihrem unaufhaltsamen Weg nach Osten ins Stocken geraten ist und nun für lange, lange Zeit über Belfast hängen wird.

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